„Zwergenaufstand“ gegen VWvon Ulrike Cristina
Verwundert nimmt das Publikum zur Kenntnis, dass es bei VW an mehreren Standorten zu Produktionsengpässen und sogar zur Ankündigung von Kurzarbeit gekommen ist (vgl. FAZ 22.08.2016), da es im Streit mit Zulieferern nicht zu einer Einigung gekommen ist. Betroffen sind verschiedene Standorte, denn die Firmen Car Trim (Stoffe) ES Automobilguss (Getriebeteile) liefern die bestellten Zubehörteile nicht aus. Die VW-Anwälte kämpfen mit einstweiligen Verfügungen und überlegen, die Teile selbst ins Werk zu holen, die Zulieferer, die zu ein und demselben Prevent-Konzern (www.preventgroup.com/de) gehören, waren aber gut vorbereitet: Ohne Material, keine Produktion. Das gilt für einen Marktriesen wie VW wie für jeden anderen.
Die Details und Gründe des Streits sind sicher zu komplex, als dass sie hier dargestellt werden könnten. Interessant ist vielmehr das Signal, das ein Zulieferer als vermeintlicher “Underdog“ setzt. Seit gut 20 Jahren hat die globalisierte Wirtschaft Kauf- und Zuliefererverträge langsam aber sicher „umgedreht“ und das als Gegenentwurf zu den gesetzlichen Vorstellungen und Machtverhältnisses. Früher war es der Kunde, der vom Produzenten „wie ein König“ behandelt werden sollte. Er erfragte ein Angebot und erkundigte sich nach den Verkaufsbedingungen. Heute ist er es, der König selbst, der dem Produzenten Einkaufsbedingungen diktiert und wann, was und wie geliefert werden soll. Kontrollen im Hause des Produzenten, unangekündigte Qualitätsprüfungen während der Produktion, Vorgaben bei der Materialbeschaffung und Preisgestaltung, Pflichtrabatte und viele Spielereien mehr lassen dem Produzenten nicht viel Wahl, wenn er überhaupt erfolgreich an einen Großkunden verkaufen will. Dem breiten Publikum sind vor dem Fall VW die Preisschlachten der Discounter im Lebensmittelbereich sicher noch in guter Erinnerung, der Aufschrei der Milchbauern, die nicht mehr kostendeckend produzieren konnten, da ihnen der Milchhandelskönig einfach zu wenig bot.
Da der Preis nicht endlos zu drücken ist, werden in einigen Branchen Zusatzvereinbarungen interessant: der Produzent, der früher auf Auftrag fertigte, ist heute z.B. gehalten, selbst Produkt- und Materialforschung zu betreiben, damit sein König das gewünschte zukünftige Produkt begutachten und ihm im besten Fall dann den Auftrag erteilen kann. Nicht der Besteller, sondern der Hersteller trägt damit das Risiko des Misslingens des extern gewünschten Produkts.
Wie würde sich der gute Karl Marx wundern: Kapitalisten waren seiner Meinung nach die, welche die zur Produktion notwendigen Produktionsmittel wie Boden, Fabriken und Maschinen besitzen. Die Zulieferer in einem globalen Markt, als ein Teil der kapitalistischen Wertschöpfungskette, die mit billigeren Produzenten wetteifern müssen, sehen das sicher anders: die „herrschende Klasse“ ist schon lange König Kunde, wenn er in bedeutendem Umfang einkauft.
In dem aktuellen Fall wird König VW ausnahmsweise einmal nicht viele Alternativen haben, wenn die Produktion weiter laufen soll und Prevent als einziger an der Quelle der erforderlichen Bezugsstoffe und Getriebeteile sitzt.